Teilnehmer des
Privatradios, des Bayerischen Rundfunks sowie aus Medienaufsicht und
Politik diskutierten am Nachmittag des
23. Juni 2014 im Münchner Literaturhaus bei der VPRT radio lounge unter dem
Titel „Radio auf allen Kanälen“ über die Zukunft der analogen und digitalen
Radioverbreitung sowie die Folgen von Cross-Promotion und der Erweiterung von
öffentlich-rechtlichen Jugendangeboten für das duale Rundfunksystem.
Zu Beginn des
zweiten Teils der Veranstaltung, die unter dem Titel „(Cross-) Promotion und
Verbreitung“ stand, fasste Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, Rechtsanwalt und
Präsident a.D. der Bayerischen Landesanstalt für neue Medien (BLM), die
aktuelle Markt- und Regulierungssituation im Hörfunk in einem Impulsvortrag
zusammen: Die aktuelle Regulierung habe nach wie vor vor allem die
Fernsehregulierung im Blick. Die Medienpolitik beachte zu wenig die Renaissance
des Hörfunks. Die geplante Trimedialität des umstrittenen Jugendkanals und
weiterer öffentlich-rechtlicher Angebote dürfe nicht mit crossmedialen
Aktivitäten verbunden werden, die dem privaten Rundfunk wettbewerbsrechtlich
untersagt oder nicht möglich seien. Hier müssten einschränkende Regelungen im
Rundfunkstaatsvertrag zur crossmedialen Bewerbung wie etwa nach
österreichischem Vorbild aufgenommen werden.
Anschließend
diskutierten Markus Blume, Medienpolitscher Sprecher der CSU-Fraktion im
Bayerischen Landtag, Prof. Dr. Christoph Degenhart, Universität Leipzig,
Karlheinz Hörhammer, Geschäftsführer Antenne Bayern, Philipp von Martius,
Geschäftsführer Studio Gong, Siegfried Schneider, Präsident der Bayerischen
Landeszentrale für neue Medien (BLM), und Martin Wagner, Hörfunkdirektor des
Bayerischen Rundfunks, unter Moderation von DWDL.de- Chefreporter Torsten
Zarges u. a. die geplante UWK-Aufschaltung des digitalen Jugendprogramms BR
PULS im Rahmen eines Frequenztausch mit BR-KLASSIK.
Unterschiedlich
bewertet wurde die rechtliche Zulässigkeit dieses Vorhabens. Während Prof. Dr.
Degenhart die Ermächtigungsgrundlage im Bayerischen Rundfunkgesetz als Verstoß
gegen die anderslautende Regelung im Rundfunkstaatsvertrag sieht, dem als
Länderstaatsvertrag verfassungsrechtlich eine übergeordnete Bedeutung zukomme,
bewertete Martin Wagner das Bayerische Rundfunkgesetz als die jüngere
gesetzliche Grundlage als einschlägig.
Markus Blume
betonte, dass die Meinungsbildung zu diesem Thema in der CSU-Landtagsfraktion
noch nicht abgeschlossen sei. Er hoffe, dass dieses Thema nicht rechtlich
gelöst werden müsse. Eine Verschiebung bis 2018 biete die Möglichkeit, eine
Lösung zu suchen, die die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Privaten
sowie die des BR zum Ausgleich bringe. Dies könne etwa mit einer Festlegung der
Programminhalte von BR PULS erfolgen, die verhindern könnte, dass ein drittes
Massenprogramm des BR in Bayern entsteht. Sollte die Digitalisierung der
Radioübertragung bis 2018 deutlich voranschreiten, könne sich die Diskussion
zudem möglicherweise dadurch relativieren.
Siegfried Schneider
wies auf die unterschiedliche Wettbewerbssituation der Privaten und des BR hin:
Während der BR seine Programmaufwendungen aus dem Rundfunkbeitrag zur Verfügung
gestellt bekomme, müssten die Privaten diese im Markt verdienen können. Zudem
seien die Privaten durch eine sehr viel schlechtere Frequenzausstattung
benachteiligt. Zu der Diskussion über die Marktrelevanz von DAB+ mahnte
Schneider, nicht auf die technische Verfügbarkeit, sondern die tatsächliche
Hörernutzung abzustellen.
Martin Wagner
betonte die Notwendigkeit für den BR, mehr junge Hörer zu erreichen. Das
Hörerdurchschnittsalter des BR liege über 50 Jahren. Der BR müsse BR PULS als
„Gebrauchsangebot“ positionieren, das da sei, wo die Hörer sind. „Wer die Hörer
nicht hat, hat die Zukunft verloren“, so Wagner. Zudem relativierte er die
Sorge vor einem dritten Massenprogramm: BR PULS habe einen sehr hohen
Wortanteil und sei nicht im Massenmarkt positioniert.
Diesen Einordnungen
widersprachen Karlheinz Hörhammer und Philipp von Martius als Vertreter des
privaten Radios in Bayern. Sie betonten die einmalige Situation im bayerischen
Radiomarkt, in dem es die bundesweit höchste Radionutzung bei einem praktisch gleich
verteilten öffentlich-rechtlichen und privaten Marktanteil gebe. Eine
Aufschaltung von BR PULS auf UKW würde dieses Marktgleichgewicht zerstören,
kleine private Anbieter in der Existenz sowie die größeren Anbieter in ihrer
Wettbewerbsfähigkeit bedrohen und deren Innovationskraft erheblich schwächen.
Die Erfahrungen aus allen anderen Bundesländern hätten gezeigt, dass die
UKW-Jugendradios der ARD-Anstalten schnell und konsequent als
Massenmarktprogramme ausgebaut worden seien. Ein weiteres Wettbewerbsprogramm
neben BR 1 und BR 3 vertrage der gewachsene bayerische Radiomarkt nicht.
„Eine Verschiebung
bis 2018 schafft diese Probleme nicht aus der Welt. Gegen eine
‚Flottenstrategie‘ mit drei starken BR-UKW-Programmen haben die Privaten in
Bayern keine Chance. Die Verschiebung darf daher keinen Automatismus
beinhalten, sondern muss an eine Lösung der rechtlichen und wirtschaftlichen
Fragen gebunden sein“, so Philipp von Martius. Gemeinsam mit Karlheinz
Hörhammer appellierte er daher an den BR-Rundfunkrat und die Medienpolitik,
stattdessen die vorhandenen Programme für ein besseres Angebot für jüngere
Hörer zu nutzen. Zudem widersprachen sie der angeblichen Überalterung der
BR-Hörer: Der BR erreiche bei den 10- bis 19-Jährigen und den 20- bis
29-Jährigen Hörern in der Gesamtheit seiner Radioangebote mehr als 30 Prozent
der bayerischen Hörer.
Quelle:
Pressemeldung des
vprt vom 24. 6. 2014